Im Jahr 2015 wird die Stadt Madaya in der Region Damaskus militärisch belagert. Es kommt zu einer erschreckend hohen Zahl an Hungertoten unter den Eingeschlossenen. Zwischen Oktober und Dezember 2015 dürfen keine Konvois für medizinische Versorgung oder Lebensmittel in die Stadt. Menschen mit schwersten medizinischen Problemen dürfen trotz Lebensgefahr nicht in Krankenhäuser gebracht werden. Und trotz der katastrophalen Lage gehen die Kämpfe weiter.
Am 27. April 2016, auf dem Höhepunkt der Offensive der syrischen Regierung auf den von der Opposition gehaltenen Osten Aleppos, gerät das Viertel um das Al-Kuds-Krankenhaus unter Beschuss. Am Abend wird die Ain Jalut Schule gegenüber des Krankenhauses bombardiert. Medizinische Helfer*innen eilen herbei und versorgen die Verwundeten, bringen sie ins Krankenhaus.
Wenig später trifft ein zweiter Schlag die darunterliegende Al-Kuds-Stabsresidenz, in der ein Teil des Krankenhauspersonals wohnt. Dann wird der Eingang der Notaufnahme bombardiert und nach weiteren fünf Minuten zerstört ein vierter Schlag die beiden oberen Stockwerke. 55 Menschen sterben, mehr als 80 werden verwundet.
In den vier darauf folgenden Tagen werden die Gesundheitsstationen der Gegend täglich bombardiert. Im April 2016 werden insgesamt 14 medizinische Einrichtungen in Ost-Aleppo getroffen. Ab Juli verhindern erneute Belagerungen, dass die Bewohner*innen der Stadt sich in Sicherheit bringen können.
Im Laufe des Sommers werden die acht noch geöffneten Krankenhäuser in Ost-Aleppo mindestens einmal durch Luftangriffe und Granatbeschuss beschädigt. Vier von ihnen werden mehrfach getroffen. Den letzten medizinischen Hilfskonvoi bringen unsere Teams im August in das belagerte Aleppo. In den darauffolgenden Monaten berichten Ärzt*innen, die in der Stadt eingeschlossen sind, von Engpässen, der verzweifelten Hoffnung evakuiert zu werden, ihrer Angst vor den Bombardements und vor Repressalien, weil sie medizinische Hilfe leisten. Die syrische Regierung und Russland kündigen die Einrichtung von "humanitären Korridoren" an, um der Bevölkerung die sichere Flucht zu ermöglichen. Doch die Menschen haben kein Vertrauen in die Angebote des Regimes. Aus Angst um ihr Leben gehen nur wenige. Hinzu kommt, dass mehrere bewaffnete Oppositionsgruppen die Stadt nicht aufgeben wollen und Willige an der Ausreise hindern.
Alis Geschichte
Ali Hajj Jasem lebte 2016 in Aleppo. Die Einwohner*innen der Stadt erlebten Monate intensiver Bombardierungen und Belagerung. Angriffe zielten auf Krankenhäuser und Schulen. Was für ihn und viele andere folgte, war die Zwangsumsiedlung.
Die Belagerung von Städten gehört zur Kriegstaktik in Syrien. Seit 2013 erleben das die Menschen in Ost-Ghuta – einer Rebellenhochburg seit Beginn des Krieges. Ihre Lage ist aussichtslos. Sie stehen jeden Tag unter Beschuss. Menschen verhungern, weil keine Lebensmittel bis zu ihnen kommen. Über die Fernsehbildschirme der Welt laufen Bilder von schwer mangelernährten Kindern und Erwachsenen und die Vereinten Nationen beschuldigen die syrische Regierung, die Bevölkerung absichtlich verhungern zu lassen.
Im frühen Februar 2018 ist die Bombardierung im östlichen Ghuta besonders heftig. Zwischen dem 18. Februar und dem Morgen des 21. Februar melden zehn Gesundheitseinrichtungen, die wir unterstützen, und acht, denen wir mit medizinischer Versorgung helfen, 1.285 Verletzte und 237 Tote. In nur drei Tagen werden insgesamt 13 Krankenhäuser und Kliniken, die wir regelmäßig oder zeitweise unterstützen, beschädigt oder zerstört.
Die Lieferungen von essentiellen Materialien an medizinische Einrichtungen gehen drastisch zurück. Die syrische Armee verbietet den wenigen Konvois der Vereinten Nationen und des Roten Kreuz, die in die Enklave, in der noch 400.000 Menschen leben, vordringen dürfen, systematisch den Zugang zu Narkosemitteln.
Anas Geschichte
Der Fotograf Anas Al Kharboutli verlässt die belagerte Stadt Ghuta erst im allerletzten Moment. 2018 als das syrische Regime, nach Monaten der Belagerung, zur Offensive übergeht, flieht er zunächst aus Angst verhaftet zu werden. Sein Weg führt ihn schließlich nach Idlib.